100 Jahre VHS
Unsere Seite zum Multikulturellen Dialog
zur deutschen Demokratie ist online! Die Veranstaltungsfotos seht ihr hier.
100 Jahre VHS: Unsere Veranstaltung zum Thema
Hamburger Bürger aus 22 Ländern und vier Erdteilen – insgesamt sechzig Teilnehmer*innen – beleuchteten am 5. September 2019 in der Zentralbibliothek der Hamburger Bücherhallen die deutsche Demokratie, ihre Erfahrungen damit und ihre Wünsche für die Zukunft. Der multikulturelle Dialog in Form eines ☛ World Cafés wurde von Dörte-Bauer-Sternberg und ihrem achtköpfigem Team als Beitrag von Bildung für alle! e.V. zum 100-jährigem Jubiläum der Hamburger Volkshochschule – und dem 70-jährigen der deutschen Demokratie – initiiert und organisiert.
Das Team sichtet derzeit die Ergebnisse – weitere Veranstaltungen in diesem Format sollen folgen.
Was sind unsere Ziele, die wir mit dieser Veranstaltung erreichen wollten? 70 Jahre Grundgesetz und Demokratie in Deutschland und 100 Jahre Hamburger Volkshochschule mit dieser speziellen Veranstaltung zu würdigen ist unser Beitrag zum Jubiläumsjahr 2019. In einem multikulturellen Dialog möchten wir insbesondere den politischen Dialog aller Beteiligten ermöglichen und politisches Handeln anregen, dabei gleichzeitig den „anderen Blick“ kennenlernen und gegenseitiges Verständnis fördern. Die Auswertung und Veröffentlichung der Erfahrungen und Ergebnisse dieser Veranstaltung sollen als Anregung für weiterführende Gespräche und Formate dieser Art dienen. Unserem Verein „Bildung für alle! e.V.“ bietet sich hier auch die Möglichkeit, Erfahrung mit dieser Art der multikulturellen Dialoge zu sammeln wie auch seine eigenem Angebote in diesem Kontext bekannter zu machen.
Wer sind die Teilnehmer? Angefragt und eingeladen wurden Mitbürgerinnen und Mitbürger aus aller Welt, die in Hamburg leben und die die soziale und politische Situation in ihrem jeweiligen Heimatland bewusst erfahren haben. Beteiligt waren Mitbürger aus zweiundzanzig Ländern und vier Erdteilen im Alter zwischen Mitte zwanzig und Mitte siebzig, die alle neben anderen Sprachen sich auf Deutsch mindestens gut verständigen konnten oder auch „astreines“ Deutsch sprachen.
Wie ist die Veranstaltung abgelaufen? Zum Start haben wir ein paar Fragen gestellt, zu denen die Teilnehmer sich aufstellen mussten – das hat die Stimmung gelockert und ein erstes Kennenlernen ermöglicht. Achim Steinke, Vereins-Aktiver und Mitglied des Gastgeber-Teams, hat uns danach mit ☛ bedenkenswerten Sätzen in das Thema eingeführt. In drei Diskussionsrunden wurde sich anschließend in wechselnden kleinen Gruppen von sechs bis acht Personen zu Erfahrungen, Ansichten und Einsichten der Teilnehmer zur deutschen Demokratie und zu Wünschen und Anregungen, was lebensfreundlicher sein könnte (World Café), ausgetauscht. Auf den Tischdecken mitgeschriebene Bemerkungen und Wünsche wurden am Schluss für alle sichtbar und lesbar aufgehängt und eine Feedbackrunde gestartet.
Zur Begrüßung gab es einen Imbiss. Getränke standen während der ganzen Veranstaltung zur Verfügung. Den Abschluss mit Liedern gesungen und gespielt von der irischen Folk-Musikerin Jane O’Brien, mussten viele Teilnehmer zu Gunsten einer zügigen Heimfahrt verpassen.
Der Ort: Sitzungssaal Zentralbibliothek der Bücherhallen Hamburg
Der Termin: Am 5. September 2019 von 18.00 bis 21.30 Uhr
Geschlossene Veranstaltung „Multikultureller Dialog zur deutschen Demokratie“
Veranstaltungsort: Zentralbibliothek (HÖB),
Hühnerposten 1,
20097
Hamburg,
Tel.: (040) 42 60 60;
Website: www.buecherhallen.de/zentralbibliothek.html
Fotos: Wolf Sternberg
,❜❜✽❜❜Der Abend war sehr lebendig, informativ, berührend, anregend, wachrüttelnd, Nachdenkens wert. Wir haben uns gefreut, dass unsere Einladung so interessiert und engagiert angenommen wurde und viele Teilnehmer haben uns zurückgemeldet, dass sie unsere Veranstaltung gut und notwendig fanden. Wir wollten den politischen Dialog und außerdem auch politisches Handeln anregen. Ersteres ist uns gelungen. Ob wir durch den Dialog zusätzlich zu dem schon vorhandenen Engagement der Teilnehmer Neues oder Veränderungen anregen konnten wissen wir nicht, vielleicht ist ein wenig auch dazu gelungen. Wir haben auf jeden Fall von unseren Teilnehmern gelernt. Und in einem Jahr treffen wir uns wieder!
Dörte Bauer-Sternberg, Aktive des Vereins „Bildung für alle! e.V.“ und Initiatorin des Dialogs
,❜❜✽❜❜Wie sehen Sie, Menschen mit Erfahrungen aus anderen Kulturkreisen, das Spiel mit der Macht in diesem Land? Was fällt Ihnen auf? Wie geht es Ihnen damit? Und wie unterschiedlich sind dabei die Erfahrungen und Sichtweisen von Menschen z. B. aus Ghana und Polen, aus Kolumbien und der Türkei? Ich bin sehr neugierig auf diese Geschichten. Und ich wünsche Ihnen, dass auch Sie neugierig werden aufeinander, dass Sie offen reden miteinander und respektvoll einander zuhören in den folgenden Gesprächsrunden...
Achim Steinke, Aktiver des Vereins „Bildung für alle! e.V.“, in seiner Eröffnungsrede zum Dialog
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
M it dieser Ansprache sind Sie gemeint, nämlich die Gemeinschaft der Freien im ganzen Land, in unserer Stadt, also alle hier im Raum! In der Demokratie verhandeln die Bürgerinnen und Bürger öffentliche Angelegenheiten offen miteinander, gerne strittig, kontrovers. Gegenstand ist hier und heute die Demokratie selbst – nicht das Ideal, die Utopie, sondern ganz konkret die Demokratie in diesem Land, in dieser Stadt, in unserem Viertel. Diese Demokratie beruht auf dem Grundgesetz, unserer Verfassung, die nicht so heißen darf, aber in diesem Jahr siebzig Jahre alt geworden ist.
Dieses Grundgesetz beginnt mit einem Satz, der banal klingt, aber wie in Fels gemeißelt daher kommt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist es, ohne Wenn und Aber! Nicht, wir streben an oder wir wollen uns bemühen, nein, ohne Vorbedingungen, ohne Voraussetzungen. Punkt, Basta. Und es ist die Würde des Menschen, nicht des deutschen Menschen, nicht des Christenmenschen und auch nicht des weißen Menschen! Gemeint ist also der homo sapiens, die einzige menschliche Rasse. Von diesem Satz sind alle Normen und Werte abgeleitet, die die demokratischen Tugenden ausmachen, alle individuellen Freiheitsrechte (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit usw.) und Gleichheitsgebote, der Schutz von Minderheiten, das Asylrecht, Gleichbehandlung von Behinderten.
Die Franzosen haben das zusammengefasst in ihrem Revolutionsslogan Liberté, Egalité, Fraternité – letzteres würden sie heute vielleicht anders formulieren. Die Deutschen singen seit fast 180 Jahren von Einigkeit und Recht und Freiheit… als Grundlage eines glücklichen Lebens – wir sehen von dem Quatsch der ersten beiden Strophen ab (übrigens: ☛ Wo wurde das Lied zum ersten Mal gesungen?).
Also: auf der einen Seite der Demokratie, sozusagen der Schokoladenseite, stehen die Normen, Werte, Tugenden – das, was das Zusammenleben der Menschen angenehm macht und die Freiheit des Einzelnen sichert. Aber die Demokratie zeigt noch eine Seite, und auch sie lässt sich aus Artikel 1 Grundgesetz ableiten.Dort heißt es nämlich: Sie – die Würde des Menschen – zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Gewalt oder Macht oder Herrschaft – das klingt nicht gerade nach Tugend, nicht wahr!? Aber genau darum geht es in der Demokratie eben auch, und zwar von Anfang an: demos – das Volk, kratos – die Herrschaft, also die Herrschaft des Volkes.
Das Volk regiert sich selbst. Aber wie macht man das, wie organisiert man das, welche Spielregeln braucht man dafür? Es gibt kaum eine Gesellschaft, einen Staat, der sich nicht irgendwie demokratisch nennt, und sie alle haben sich unterschiedliche Spielregeln gegeben. Das Wahlrecht kann man so regeln wie bei uns in den fünf Wahlrechtsgrundsätzen: frei, geheim, unmittelbar, gleich, direkt. Es geht aber auch anders wie z. B in den USA. Welche Rolle spielt das Staatsoberhaupt? Welche Bedeutung haben politische Parteien? Und vor allem, wie macht man das mit der Gewaltenteilung, welche Rolle haben die Richter, die Medien, die Regionen, also der Föderalismus. Dabei geht immer um die Frage, wer darf was, und wer darf was nicht. Und das meint nichts anderes als, wer hat die Macht. Denn nur wer die in der Hand hat, der kann gestalten!
In den nun folgenden Gesprächsrunden wollen wir fragen: Wie sieht es aus mit den Tugenden des demokratischen Zusammenlebens in dieser Gesellschaft – wie leben das die eingeborenen Deutschen und wie erleben das Menschen, die nicht in dieses Grundgesetz hineingeboren sind und die deshalb mit einem besonderen Blick darauf schauen: Wie passen die beiden Seiten zueinander, die Tugenden einerseits, die Macht-Spielregeln andererseits. Wir könnten das anhand der aktuellen politischen Situation z. B. in England wunderbar beobachten. Wir konzentrieren uns aber vor allem auf die Zustände hierzulande.
Wie sehen Sie, Menschen mit Erfahrungen aus anderen Kulturkreisen, Menschen, die ihre persönlichen oder familiären Wurzeln in anderen Gesellschaften haben, das Spiel mit der Macht in diesem Land? Was fällt Ihnen auf? Wie geht es Ihnen damit? Und wie unterschiedlich sind dabei die Erfahrungen und Sichtweisen von Menschen z. B. aus Ghana und Polen, aus Kolumbien und der Türkei. Ich bin sehr neugierig auf diese Geschichten. Und ich wünsche Ihnen, dass auch Sie neugierig werden aufeinander, dass Sie offen reden miteinander und respektvoll einander zuhören in den folgenden Gesprächsrunden.
Und noch ein letztes: Vergessen Sie nicht Ihren Humor: Vielleicht finden Sie bei diesen ernsten Themen auch mal ein Anlass zu lachen, über einen Witz, den es bei Ihnen zu Hause über die Deutschen gibt, über eine schräge Begegnung, eine Anekdote. Denn: Nirgendwo sind die Menschen so frei und gleich wie im gemeinsamen Lachen! Probieren Sie es aus…
Achim Steinke, Hamburg 05.09.2019
Dank an unsere Unterstützer: An die Bücherhallen Hamburg, die uns den großen Sitzungssaal der Zentralbibliothek unentgeltlich zu Verfügung gestellt haben. An die Oliver Wurm und Andreas Volleritsch GbR, die uns ein Kontingent ihres Grundgesetz als Magazin zum halben Preis überließ. Und wir danken dem Gastgeber-Team um Dörte Bauer-Sternberg, die die Veranstaltung mit entwickelt, betreut und durchgeführt haben: Achim Steinke, Sibylle Kramer, Hamed Abbaspur, Hans-Hermann Groppe, Sabine Müller-Bagehl, Valeri Haralampiew, Rukiye Çankiran und Hüseyin Yilmaz. Und natürlich Jane O'Brien für den musikalischen Abschluss und Wolf Sternberg für die Fotos.